ZoomInfo Aktie: Investieren in einen Fallen Angel
Dieser Beitrag ist das Update eines erstmals im September 2023 veröffentlichten Artikels. Er wurde aktualisiert und erweitert nach den Zahlen zum 1. Quartal 2024.
Eine der tief gefallenen Software-Aktien, die sich nach dem Tech-Crash aus 2022 bisher nicht ansatzweise erholen konnten, ist ZoomInfo Technologies. Die SaaS Company aus den USA ist ein führender Anbieter von B2B-Informationen und Business-Intelligence für Vertriebs-, Marketing- und Rekrutierungsteams.
Ich habe in den vergangenen 9 Monaten trotz des intakten negativen Trends in mehreren Tranchen antizyklisch eine Position der ZoomInfo Aktie für mein investierbares Musterportfolio aufgebaut.
Hier die Hintergründe zu diesem Investment Case:
Historie von ZoomInfo
ZoomInfo wurde ursprünglich 2007 unter dem Namen DiscoverOrg von dem heutigen CEO Henry Schuck und Kirk Brown gegründet. Die Gründer zielten darauf ab, eine Datenplattform zu schaffen, die hochwertige, aktuelle und umfassende Geschäftsinformationen für Vertriebs- und Marketingteams bereitstellen würde.
Das Unternehmen wuchs nicht nur organisch stark, sondern hat mehrfach kleinere Wettbewerber und ergänzende Technologien akquiriert. 2016 erhielt das Unternehmen eine Finanzierung von der Private-Equity-Firma TA Associates, die zur weiteren aggressiven Expansion und technologischen Entwicklung genutzt wurde.
Ein entscheidender Meilenstein war die Akquisition von ZoomInfo im Februar 2019. Mit diesem Schritt konnte DiscoverOrg sein Angebot im Bereich Geschäftsinformationen erheblich erweitern und eine breitere Kundenbasis erreichen. Die Akquisition führte auch zu einer Namensänderung: DiscoverOrg wurde in ZoomInfo Technologies Inc. umbenannt.
Im Juni 2020 ging ZoomInfo an die Börse. Der Nasdaq IPO war einer der erfolgreichsten des Jahres, trotz der wirtschaftlichen Unsicherheit durch die COVID-19-Pandemie stieg die zu 21$ ausgegebene ZoomInfo Aktie am ersten Handelstag um über 60% auf 34$.
Nach einem zweijährigen Kurssturz ist die Aktie aktuell für unter 13$ und damit deutlich unter dem Emissionspreis zu haben. Das Unternehmen ist damit nur noch weniger als $6 Mrd. wert.
Und das, obwohl sich der Umsatz von 2019 bis 2023 auf $1,24 Mrd. verdreifacht und der Free Cashflow auf über $400 Mio. p.a. vervielfacht hat.
Was ist also das Problem mit der ZoomInfo Aktie?
Das ZoomInfo Business
ZoomInfo agiert im Subscriptions-Modell, wobei die mehr als 35.000 Kunden vorwiegend auf User-Basis und meist jährlich im voraus für den Zugriff auf die umfangreiche ZoomInfo Datenbank und verschiedene SaaS-Tools zahlen. Der Großteil der ZoomInfo Einnahmen stammt also aus wiederkehrenden Abonnementgebühren, ein normalerweise von Investoren sehr hoch bewerteter Umsatzstrom.
Die ZoomInfo-Plattform ist in verschiedene Pakete segmentiert:
1. Sales OS
ZoomInfo bietet umfassende Branchendaten, die für die Entwicklung einer Markteintritts- oder Expansionsstrategie verwendet werden können. Die proprietäre Daten-Plattform bietet hochspezialisierte Infos zur Vertriebsoptimierung und beinhaltet 104 Mio. Unternehmen und 321 Mio. Kontakte (Stand Q3 2023). ZoomInfo ermöglicht es Vertriebsteams, potenzielle Kunden präzise zu segmentieren, um effektive Vertriebsstrategien zu entwickeln. Denn aktuelle Kontaktdaten und Unternehmensinformationen sowie die automatisierte Priorisierung von Leads sind entscheidend für die Effizienz des Vertriebsprozesses.
2. Marketing OS
Enthält Tools für Lead-Generierung, Segmentierung und andere Marketingaktivitäten. Die Plattform bietet Tracking-Tools, die den Erfolg von Marketingkampagnen messen. Die Fülle an verfügbaren Unternehmensdaten kann für Marktforschung und Benchmarking genutzt werden.
3. Talent OS
Ist spezialisiert auf die Rekrutierung und Personalbeschaffung. ZoomInfo bietet spezielle Tools für Personalvermittler, um qualifizierte Kandidaten schneller zu identifizieren. Personalvermittler können auch Informationen über Wettbewerber nutzen, um gezielt Kandidaten anzusprechen.
4. Operations OS
Lösung zur Verbesserung der Datenqualität. Das Produkt enthält die 2021 akquirierte RingLead Lösung. ZoomInfo lässt sich nahtlos in die gängigen Customer-Relationship-Management (CRM)-Systeme integrieren, was die Datenkonsistenz erhöht.
Insgesamt bietet ZoomInfo's umfassende Datenplattform Tools und Informationen, die für eine Vielzahl von Geschäftsbereiche von großem Wert sind. Die Fähigkeit, sowohl taktische als auch strategische Entscheidungen auf der Basis von qualitativ hochwertigen Daten zu treffen, macht ZoomInfo zu einem wesentlichen Dienst für moderne Unternehmen, die in einem zunehmend datengetriebenen Geschäftsumfeld agieren.
ZoomInfo gilt im Segment der Business Intelligence Plattformen als Premium-Lösung zum Premium-Preis. Gerade in der Softwarebranche gilt ZoomInfo als Marktführer und ist in den Boom-Jahren bis 2021 zum defacto-Standard für die Unterstützung der aggressiven Go-To-Market-Strategien der High-Growth SaaS und Cloud-Companies avanciert.
Markt und Wettbewerb
Der Markt für Business-Intelligence wird immer komplexer und wettbewerbsintensiver. Laut Unternehmensangaben beträgt der adressierbare Markt für ZoomInfo riesige $100 Mrd. Wie immer sind solche Angaben mit Vorsicht zu geniessen.
ZoomInfo steht im Wettbewerb mit verschiedenen Anbietern sowohl aus dem traditionellen Datenbereich als auch aus dem modernen SaaS-Sektor. Zu den Hauptkonkurrenten gehören seit Jahren der LinkedIn Sales Navigator oder auch Dun & Bradstreet, die ein seit Jahrzehnten etablierter Player im Bereich der Geschäftsinformationen sind.
Aufstrebender Herausforderer von ZoomInfo ist u.a. Demandbase , die wie auch ZoomInfo ebenfalls durch etliche Akquisitionen gewachsen sind. Noch spannender ist die Situation rund um Clearbit, die Ende 2023 von HubSpot übernommen wurden. Es ist zu erwarten, dass HubSpot sich ab 2024 zu einem ernstzunehmenden Wettbewerber von ZoomInfo entwickeln könnte.
Ursache des Umsatzeinbruchs
Fakt ist jedoch, dass das Umsatzwachstum von ZoomInfo in 2023 eingebrochen ist. Nach Jahren des explosiven Umsatzwachstums (62% in 2020, 57% in 2021, 47 % in 2022) wurde 2023 nur noch ein Wachstum von 13% auf $1,24 Mrd. erreicht.
ZoomInfo besitzt eine breite Kundenbasis von über 35.000 zahlenden Kunden. Von denen zahlten 1.760 (Stand Ende März 2024) mehr als $100.000 für ihre Subscription. Diese Zahl der Großkunden ist im Q1 2024 zum 5. Mal hintereinander gefallen, was wohl der Hauptgrund für die miserable Performance der ZoomInfo Aktie ist. Denn Pricing Power sieht anders aus.
Aber die Erosion dieses Segments der Kundenbasis hat einen gut nachvollziehbaren Grund wie folgt:
Die wichtigste Branche ist für ZoomInfo die Softwareindustrie. Viele dieser Kunden haben in den Boom-Jahren auch aufgrund des fast kostenlos vorhandenen Kapitals sehr aggressiv auf Wachstum gesetzt und (zu) viele Vertriebs- und Marketingmitarbeiter eingestellt. Diese benötigten alle eine ZoomInfo Lizenz.
Nun hat sich der Wind gedreht, auch in der Softwareindustrie wird Profitabilität oftmals wichtiger als Wachstumsoptimierung angesehen. Das bedeutet dann, es wird seitens der ZoomInfo Kunden beim Vertrieb und Marketing Personal gekürzt. Damit wird auch die an ZoomInfo zu zahlende Subskriptions-Rechnung kleiner und fiel oftmals unter die viel beachtete Schwelle von $100.000 p.a.
Dieser aktuelle Trend zur Kostenoptimierung in der Tech-Branche ist das eigentliche Problem bei ZoomInfo. ZoomInfo hat die allermeisten dieser Kunden nicht verloren, aber diese zahlen jetzt deutlich weniger, weil sie weniger Lizenzen benötigen.
Zumindest ist das mein Verständnis und der Kern meiner Investment-Hypothese.
ZoomInfo goes GenAI
ZoomInfo wird aktuell zudem von etlichen AI Startups herausgefordert. Die behaupten, mit ihren AI Tools vor allem für die wenig zahlungskräftigen kleineren Unternehmen eine ähnliche Lösung wie ZoomInfo zu wesentlich niedrigeren Kosten anbieten zu können. Tatsächlich scheinen Investoren besorgt zu sein, dass ZoomInfo in einigen Jahren als Verlierer des AI Zeitalters dastehen könnte.
Diese AI Tools der jungen Mitbewerber sehen in einer Demo sexy aus, aber ich bezweifle, dass die in vielen Jahren und mit Investitionen in Milliardenhöhe aufgebaute Datenqualität der ZoomInfo Datenbank sich mit Generativer AI replizieren lässt. Obwohl genau das die Marketing Abteilungen der jungen Herausforderer gerne suggerieren.
ZoomInfo hat in den vergangenen Quartalen viele kleine und mittlere Unternehmen als Kunden verloren, die Softwarekosten einsparen wollten und zu diesen Herausforderern gewechselt sind. Inzwischen ist bei vielen dieser wechselwilligen Kunden Ernüchterung eingekehrt und das ZoomInfo berichtet von hunderten von Kunden, die nach einem solchen Experiment bereits zu ZoomInfo zurückgekehrt seien.
Das Unternehmen hat inzwischen auf diese neuen Herausforderer reagiert und bietet seinerseits mit dem ZoomInfo Copilot verschiedene GenAI Features an, welche die Produktivität von Vertriebsmitarbeitern mit Hilfe der AI steigern sollen. Der ZoomInfo Copilot befindet sich derzeit noch in der Beta-Phase, das Release soll bis Ende 2024 erfolgen und dürfte dann einiges an Wettbewerbsdruck wegnehmen.
ZoomInfo Zahlen zum Q1 2024
Der negative Wachstumstrend konnte jedoch auch im 1. Quartal 2024 noch nicht umgekehrt werden. Der Umsatz kam im Q1 nur noch um magere 3% auf $310 Mio. voran, auch für das Gesamtjahr wird jetzt nur noch mit einem marginalen Wachstum von 2% gerechnet.
Eine große Stärke von ZoomInfo ist die hohe Profitabilität. Die Bruttomarge (Gross Margin) wurde in den vergangenen 3 Jahren seit dem IPO von ca. 70% auf 84% (TTM) gesteigert. Im Q1 2024 lag die Gross Margin sogar bei 86%. Das ist ein hervorragender Wert selbst für ein SaaS-Unternehmen.
Auch die operativen Kosten hat ZoomInfo gut im Griff mit einer unterdurchschnittlichen Kostenquote von 32% für Vertrieb und Marketing im Q1 2024. Die sinkende Ausgabenquote für Forschung und Entwicklung i.H.v. 14% des Umsatzes ist sogar etwas zu niedrig für meinen Geschmack.
ZoomInfo operiert mit einer hohen Free Cashflow-Marge von 33% (TTM). Vor allem aufgrund der in der Branche üblichen hohen Aktienvergütungen (ca. 13% vom Umsatz in den vergangenen 12 Monaten) liegt das operative Ergebnis deutlich darunter. Aber auch 20% operative Marge (GAAP) und eine 6% Nettomarge können sich in herausfordernden Zeiten durchaus sehen lassen.
Aktienrückkauf
Im März 2023 wurde vom ZoomInfo Management ein erstes Aktienrückkaufprogramm im Umfang von $100 Mio. gestartet. Im Juli 2023 legte man nach einem weiteren Kursrutsch ein zweites Rückkaufprogramm im Umfang von bemerkenswerten $500 Mio. auf. Und im Q1 2024 legte man mit einem weiteren $500 Mio. Aktienrückkaufprogramm nach und machte damit deutlich, dass man die eigenen Aktien wohl für deutlich unterbewertet hält.
Im Verlauf von 2023 kaufte ZoomInfo 22,6 Mio. Aktien für einen durchschnittlichen Preis von 17,68$ für zurück. Insgesamt wurden für die Aktienrückkäufe $400 Mio. aufgewendet. Und im Q1 2024 steckte man bereits weitere $153 Mio. in den Rückkauf von 9,6 Mio. eigener Aktien zum durchschnittlichen Preis von $15,90.
All diese Rückkäufe waren bisher ein schlechter Deal für die Shareholder angesichts eines Kurses von derzeit unter 13$. Die Anzahl ausstehender Aktien reduzierte sich dadurch in den vergangenen 12 Monaten jedoch trotz hoher Aktienvergütungen um 7%.
In den kommenden Quartalen sind weitere Aktienrückkäufe zu erwarten, die sich das Unternehmen aufgrund des hohen Cashflows durchaus leisten kann. Mit den per 31.03.24 noch für Aktienrückkäufe vom Board bewilligten $547 Mio. könnten beim aktuellen Kurs nochmals über 10% der ausstehenden Aktien zurückgekauft werden!
Die Bewertung der ZoomInfo Aktie
Die ZoomInfo Aktie gehörte nach ihrem erfolgreichen IPO zu den abenteuerlich hoch bewerteten Cloud-Aktien. Auf dem Höhepunkt des Tech-Booms Ende 2021 wurde ZoomInfo mit einem EV/Sales Verhältnis von über 40 und mehr als dem hundertfachen des Free Cashflows bezahlt.
Diese Bewertungsrelationen erscheinen aus heutiger Sicht wesentlich überteuert. Mittlerweile hat der ZoomInfo Aktienkurs mehr als 80% von seinen Höchstständen eingebüßt und die Bewertung ist mit einem EV/Sales Verhältnis von unter 5 und einem EV/FCF Verhältnis von 14 attraktiv für einen (zugegebenermaßen wachstumsschwachen) SaaS Wert mit 85% Bruttomarge.
Ich setze darauf, dass es sich bei der aktuellen Wachstumsschwäche nur um eine Delle im langjährigen Trend und nicht um das Ende der Wachstumsstory eines durch AI disruptierten Unternehmens handelt.
Ich gehe in meinem Investment Case davon aus, dass ZoomInfo den gegenwärtigen Trend nach Ende des GenAI Hypes wieder umkehren und ab 2025 oder spätestens 2026 wieder zweistellig wachsen kann. In einem solchen Szenario sollten die aktuellen Aktienkurse unter 13$ exzellente Einstiegskurse sein. Da bin ich mir einig mit den meisten Analysten, die im Durchschnitt 40% Kurspotential für ZoomInfo sehen.
Fazit
ZoomInfo hat sich als einer der führenden Player im schnell wachsenden aber ebenso umkämpften Markt für Geschäftsdaten etabliert. Das Unternehmen kämpft nach dem explosiven Wachstum der vergangenen Jahre mit einer Wachstumsschwäche.
ZoomInfo steht im AI Zeitalter vor erheblichen Herausforderungen in einem Markt voller alter und neuer Wettbewerber, wo Differenzierung und die Fähigkeit, den Kunden wertvolle Insights zu liefern, entscheidend sein werden. ZoomInfo generiert im Gegensatz zu den jungen Wettbewerbern einen hohen Cashflow und kann aus einer Position der Stärke heraus agieren.
Ich habe die Position im High-Tech Stock Picking wikifolio nach dem jüngsten Kursverfall anlässlich der Q1 2024 Zahlen weiter ausgebaut. Mir ist klar, dass es eine gehörige Portion Mut und Überzeugung braucht, um angesichts des desaströsen Chartbildes gegen den Strom zu schwimmen.
Wenn mein Investment Case aufgeht, dann könnte sich die ZoomInfo Aktie in 12-18 Monaten verdoppeln. Wenn ich falsch liege, dann bin ich in diesem Fall der Depp, denn die technischen Analysten werden mir erklären, "der Chart hat es schon vorher gewusst". ;-)
In jedem Fall bleibt es spannend. Wenn Du die Entwicklung von ZoomInfo zukünftig gemeinsam mit mir beobachten willst, dann kannst Du jetzt hier meinen kostenlosen Newsletter bestellen.
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