LendingClub Aktie: Ende der Kurserholung?
Dieser Beitrag ist das Update eines erstmals im April 2023 veröffentlichten Beitrags zur LendingClub Aktie. Er wurde erweitert und aktualisiert nach den Zahlen zum Q2 2023.
Der LendingClub ist das derzeit größte Sorgenkind in meinem investierbaren Musterportfolio und verlangt besonders viel Aufmerksamkeit.
Die wichtigste Erkenntnis aus den gerade vorgelegten Q2 2023 Zahlen vorab: LendingClub hat es wie angekündigt tatsächlich geschafft, inmitten eines einbrechenden Umsatzes seines Kredit-Marktplatz auch im abgelaufenen Quartal profitabel zu bleiben. Und auch im laufenden Q3 will man trotz weiter sinkender Marktplatz-Umsätze unterm Strich noch etwas Geld verdienen.
Von einer existentieller Krise ist also weit und breit nichts zu sehen. Entsprechende Bedenken, die nach dem Zusammenbruch einiger US Banken im Frühjahr aufgekommen waren, sind mittlerweile zerstreut und der LendingClub Aktienkurs konnte sich in den vergangenen Monaten ja auch schon deutlich erholen.
Doch diese Kurserholung um immerhin 65% seit den Tiefkursen im Ausverkauf Anfang Mai war dann doch etwas zu schnell. Nach den Q2 Zahlen knickte die LendingClub Aktie wieder ein. Hier mein Blick auf die aktuelle Situation:
Der Markt
Es ist auch für einen Außenstehenden wie mich erschreckend zu beobachten wie sich der Markt für ungesicherte Konsumentendarlehen in USA aktuell darstellt.
Die Zinsen, die für Kreditkartenschulden gezahlt werden müssen, liegen mittlerweile bei über 20% p.a. und sind damit so hoch wie nie zuvor. Auch die in USA ausstehenden Konsumentenkredite liegen auf Rekordhöhe.
Im Endeffekt verbergen sich hinter diesen Zahlen Millionen von US-Familien, die in der Schuldenfalle sitzen und kaum noch eine Chance haben werden, ihre Schulden abzubezahlen und Wohlstand aufzubauen.
Man könnte also meinen, das wären gute Bedingungen für ein Unternehmen wie LendingClub, das den Endkunden ja dabei helfen kann, ihre Kreditkarten umzuschulden in etwas preisgünstigere aber immer noch für den Anbieter hochprofitable Kredite.
Und tatsächlich ist die Nachfrage seitens der Endkunden enorm. Das Problem ist nur, dass es für einen funktionierenden Kredit-Marktplatz auch die Seite der Kredit-Anbieter benötigt und die ist in den vergangenen 12 Monaten heftig eingebrochen, doch dazu später mehr.
Das Positive
Zunächst mal etwas positives: Das LendingClub Management hat im ersten Halbjahr 2023 wie versprochen unter Beweis gestellt, dass man 2 Jahre nach der Akquisition der Radius Bank mit dem neuen Geschäftsmodell (als Zwitter zwischen Bank und Fintech) eine vergleichsweise stabile Position erreicht hat:
Die Einlagen bei der LendingClub Bank sind im 1. Halbjahr nicht etwa gesunken, sondern um ca. $400 Mio. auf $6,8 Mrd. gestiegen. Davon sind 85% gesetzlich versichert, weil sie unter der Einlagensicherungsgrenze von 250.000$ pro Kunde liegen. Diese Einlagen sollten von möglichen Abflüssen auch bei einer deutlichen Ausweitung der US Bankenkrise verschont bleiben. Nur etwa $1Mrd. sind unversichert.
Die Cash-Reserve beträgt $1,2 Mrd., d.h. LendingClub könnte sofort problemlos alle unversicherten Einlagen zurückgeben, falls dies notwendig würde (was in der Praxis nicht passieren wird). Zusätzlich verfügt man über Kreditlinien von über $4 Mrd.
Einbrechender Umsatz und Gewinn
Das Geschäft bei LendingClub schrumpft derzeit. Zwar gibt es angesichts von rekordhohen Kreditkartenzinsen eine riesige Nachfrage seitens der Endkunden nach Umschuldung durch einen LendingClub Konsumentenkredit. Aber auf der anderen Seite gibt es viel zu wenige risikobereite Banken, die Kapital bereitstellen.
Das führt dazu, dass die vergebenen Kredite binnen Jahresfrist um fast die Hälfte auf nur noch $2 Mrd. im Q2 2023 zurückgingen.
LendingClub selbst nimmt zwar mehr Kredite in die eigenen Bücher, aber man ist sehr vorsichtig, was die Auswahl der Kreditnehmer angeht. Und das ist gut so.
Als Folge des hoffentlich auch weiterhin disziplinierten Risikomanagements gibt es auch nach dem Q2 keine Anzeichen dafür, dass die Kreditausfallraten trotz des schwierigen Umfeldes über das erwartete und eingeplante Maß hinaus ansteigen würden. Hier kommt die große 15 jährige Erfahrung des LendingClubs aus der Vergabe von ungesicherten Konsumentendarlehen im Wert von über $85 Mrd. zum Tragen.
Der Nettogewinn blieb - auch aufgrund von Kostensenkungen - im ersten Halbjahr trotz des Umsatzeinbruchs im positiven Bereich.
Die Bewertung der LendingClub Aktie
In der aktuellen Krise der Banken und FinTech-Aktien kann man sich bei der Bewertung der LendingClub Aktie zunächst mal am Buchwert von aktuell gut 11$ pro Aktie orientieren. Bereinigt um immaterielle Vermögensgegenstände beträgt der Buchwert einer LendingClub Aktie 10,26$.
Der aktuelle Kurs von 9$ liegt also deutlich unter dem Buchwert, d.h. der Markt geht gegenwärtig davon aus, dass LendingClub zukünftig keinen nachhaltigen Profit erwirtschaften kann. Hmmm....
Eine Bewertung der LendingClub Aktie auf Basis des Gewinns ist tatsächlich schwierig, da selbst das Management sich im gegenwärtigen Umfeld keine Prognose zutraut. Im 1. Halbjahr erzielte man ein Netto-Ergebnis von 0,22$, in der zweiten Jahreshälfte könnte es noch magerer ausfallen angesichts einer schwachen Guidance für das Geschäftsvolumen im Q3.
Die Spekulation über das aktuelle Gewinnmultiple ist aber für mich ehrlich gesagt gar nicht so relevant. Für mich viel entscheidender ist es, dass das neue LendingClub-Geschäftsmodell im Gegensatz zu vielen anderen Kredit-FinTechs dem Unternehmen tatsächlich ermöglicht, auch in einer Phase schnell steigender Zinsen trotz eines einbrechenden Marktplatz Umsatzes profitabel zu bleiben. Bisher deutet einiges daraufhin. Aber erst die nächsten Quartale werden es uns dann endgültig zeigen.
Schaut man etwas langfristiger in die Zukunft, so gehe ich nach wie vor davon aus, dass der hochprofitable Marktplatz-Umsatz sich - wie nach dem Einbruch zu Beginn der Corona-Pandemie - genauso schnell wieder erholen kann, wie er weggebrochen ist. Wann das passieren wird? Ich habe keine Ahnung.
Wenn es soweit ist, dann dürfte es bei LendingClub einen Gewinnsprung wie schon 2021/2022 geben und der Aktienkurs wird spätestens dann wieder deutlich über dem Buchwert rangieren.
Die große Unbekannte
Ich bin grundsätzlich recht zufrieden, wie die fundamentale Entwicklung des LendingClub angesichts des desaströsen Umfeldes aktuell verläuft. Allerdings gibt es einen Punkt, der mir zwar noch keine Sorgen, aber doch einiges an Kopfzerbrechen bereitet:
LendingClub hat in den vergangenen Monaten damit begonnen, gezeichnete Kredite nicht nur wie bisher im Paket (inkl. des Risikos) an Partner-Banken zu verkaufen, sondern verbrieft diese nun auch als strukturierte Zertifikate für ausgewählte institutionelle Kunden.
Der CEO Scott Sanborn dazu:
Structured certificates is essentially a two-tier private securitization in which LendingClub retains the senior note and sells the residual certificate on a pool of loans at a predetermined price to a predetermined marketplace buyer, effectively providing built-in finance. Both parties in the transaction benefit. LendingClub earns an attractive yield with remote credit risk, while at the same time earning fee income without upfront CECL provisioning, and marketplace loan buyers earn strong levered returns with low friction financing on a liquid security.
Meine Herausforderung dabei: Ich bin kein ausgewiesener Banking-Experte und habe zumindest bislang Schwierigkeiten, diese Zertifikate voll und ganz zu verstehen und die zusätzlichen Risiken daraus einzuschätzen.
Was ich verstehe ist, dass diese Zertifikate eine Möglichkeit für LendingClub sind, mehr Kredite zu zeichnen und nicht sämtlich zu erwartenden Abschreibungen gleich bei der Ausgabe des Kredits verbuchen zu müssen. Für mich hört sich das nach einer zumindest weniger konservativen Buchführung als bisher bei LendingClub üblich.
Das macht mich unruhig. Ich habe da noch einige Hausaufgaben zu machen und muss die Bedeutung dieser neuen strukturierten Zertifikate besser verstehen. Falls mir das nicht gelingt. so könnte meine bisher hohe Überzeugung von der LendingClub Aktie durchaus schwinden.
One more thing - Die Super App?
Bis Ende 2023 plant LendingClub den Launch einer neuen integrierten mobilen App, welche die Kreditvergabe, Ausgabenkontrolle und ein Sparkonto für den Enduser miteinander vereinen und so die LendingClub User Experience wesentlich verbessern soll.
Die App soll ein integriertes Tool für den Enduser zur Schuldenüberwachung werden, das es den Kunden ermöglicht, ihre Schulden problemlos einzusehen sowie ihre Zahlungen zu priorisieren und zu optimieren. Wichtiges Alleinstellungsmerkmal wird eine vorab genehmigte Ratenkreditlinie für Bestandskunden sein. Die ermöglicht es ihnen (entsprechende Bonität vorausgesetzt), neue überteuerte Kreditkartenschulden in einen einzigen Kredit zu einem festen Zinssatz umzuwandeln.
Soweit so gut. Es ist schön zu hören, dass trotz der schwierigen Situation die Innovation bei LendingClub nicht vollends zum Erliegen gekommen ist. Es würde mich freuen, wenn zukünftig wieder mehr von solchen Themen zu hören und sehen ist - diese Super-App klingt zumindest spannend.
Fazit
Ich habe angesichts des erfolgreichen Krisenmanagements im bisherigen Jahresverlauf den Eindruck, dass beim LendingClub ein fähiges Management mit einem robusten wie flexiblen Geschäftsmodell in einem extrem zyklischen Markt agiert.
Die starke Kurserholung der Lending Club Aktie der vergangenen Monate hat mit der Veröffentlichung der Zahlen zum 2. Quartal allerdings zunächst mal ein jähes Ende gefunden. Und auch für mich ist die Aktie derzeit wegen der genannten Unwägbarkeiten nur noch eine Halteposition im High-Tech Stock Picking wikifolio.
Da die Buchverluste der LendingClub Position nach dem jüngsten Kursrutsch deutlich über 30% betragen, zwickt nun auch die mir selbst auferlegte Rule-of-30 zum Umgang mit Buchverlusten.
Soll heißen: Ich werde als Nicht-Banker wohl noch mehr Zeit als geplant mit einer noch tiefer gehenden Analyse dieser Banking-Aktie verbringen müssen... und das gefällt mir nicht, denn diese Zeit fehlt letztendlich für die Analyse neuer Investment-Ideen. Aber so ist das eben mit den Sorgenkindern im Depot. Der Umgang mit denen gehört zu den schwierigsten Übungen im Leben eines Investors.
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Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzt Aktien von LendingClub. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.