20.000 Punkte im DAX: Ist die Performance nur Trickserei?
In dieser Woche waren die Wirtschaftsnachrichten voll von begeisterten Beiträgen, in denen gefeiert wurde, dass der bekannteste deutsche Aktienindex DAX einen Rekordstand von 20.000 Punkten erreicht hat.
Ihr fragt euch jetzt bestimmt, wie das zusammenpasst: Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise, und die größten 40 Konzerne des Landes, deren Aktien im DAX vereinigt sind, werden angeblich immer wertvoller.
Das liegt grundsätzlich mal daran, dass die 40 DAX-Konzerne weltweit aktiv sind und nur noch 18 % ihres Umsatzes in Deutschland machen. Aber auch die Art und Weise, wie der DAX berechnet wird, spielt eine Rolle.
Es ist echt schade, dass kaum ein Kommentator in den Nachrichten erwähnt hat, dass der DAX mehr ein interessantes Zahlenspiel ist als ein Spiegelbild der realen Wertentwicklung der deutschen Großkonzerne.
Um zu verstehen, was ich damit meine, muss man sich zunächst einmal klarmachen, dass es zwei ganz verschiedene Methoden gibt, um einen Aktienindex zu berechnen:
Es gibt zwei verschiedene Arten von Aktienindizes: den Kursindex und den Performanceindex.
Kursindex versus Performanceindex
Der Unterschied zwischen einem Kursindex und einem Performanceindex liegt in der Art und Weise, wie Dividenden berücksichtigt werden: Der Kursindex misst die reine Kursentwicklung, während der Performanceindex die Gesamtrendite inklusive Dividenden widerspiegelt.
1. Kursindex
Ein Kursindex berücksichtigt nur die Kursentwicklung der enthaltenen Aktien.
Dividendenzahlungen (oder andere Erträge) der Unternehmen werden nicht berücksichtigt.
Aussagekraft: Er gibt einen Überblick über die Wertentwicklung der im Index enthaltenen Aktien selbst, unabhängig von Erträgen durch Dividenden.
2. Performanceindex:
Ein Performanceindex berücksichtigt sowohl die Kursentwicklung der Aktien als auch die Wiederanlage der Dividenden.
Dividendenzahlungen der Unternehmen werden so behandelt, als würden sie direkt wieder in die jeweiligen Aktien reinvestiert.
Aussagekraft: Ein solcher Index zeigt die Gesamtrendite, die ein Anleger erzielen würde, wenn Dividenden stets wieder reinvestiert werden.
Der Performanceindex (auch Total Return Index) liefert also ein optimistischeres Bild, da er von der eher theoretischen Annahme ausgeht, dass Dividenden automatisch - und ohne Kosten - reinvestiert werden. Nur ein Kursindex hingegen eignet sich, um die reine Marktpreisbewegung der enthaltenen Aktien zu analysieren.
Und jetzt dürft ihr mal raten, wie der DAX üblicherweise berechnet wird.
Richtig.
Der DAX ist im Gegensatz zu den allermeisten anderen international üblichen Aktienindizes ein Performanceindex.
Wenn der DAX in den vergangenen 10 Jahren um mehr als 100% gestiegen ist, dann bedeutet das noch lange nicht, dass ein Investor, der den DAX mit Einzelaktien in seinem Depot nachbilden würde, nach 10 Jahren Aktien im doppelten Wert halten würde. Nein, dazu hätte er alle Dividenden sofort und ohne Kosten wieder anlegen müssen. Was in der Praxis ja mit Einzelaktien gar nicht funktioniert, eher schon mit einem thesaurierenden DAX ETF, aber das ist ein anderes Thema.
DAX Performanceindex versus Kursindex
Außerhalb von Deutschland sind Performanceindizes wenig üblich. In den USA werden Kursindizes wie der S&P 500, Nasdaq 100, Dow Jones oder auch Russell 2000 als Standard verwendet.
Zur Erinnerung:
Der S&P 500 umfasst die Aktien von 500 der grössten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen.
Im NASDAQ-100 sind die 100 Aktien der an der NASDAQ gelisteten Nicht-Finanzunternehmen mit der höchsten Marktkapitalisierung enthalten.
Der altehrwürdige Dow Jones war lange Zeit der wichtigste Aktienindex der USA. Er setzt sich aus den 30 grössten börsennotierten US-Unternehmen zusammen.
Der Russell 2000 Index ist ein Aktienindex, der die Performance von 2.000 kleineren börsennotierten US Unternehmen (Small Caps) misst.
Alle diese Indizes sind Kursindizes. Die Performancevarianten (Total Return Indices) all dieser Indizes existieren daneben zwar auch, sind aber eher von untergeordneter Bedeutung.
Wenn wir also den DAX mit einem der US-Leitindizes vergleichen oder auch - im Bereich der Nebenwerte - den SDAX mit dem amerikanischen Russell 2000 (oder S&P Small Cap 600), so vergleichen wir Äpfel mit Birnen.
Denn im Fall der deutschen Indizes sind die Dividenden mit eingerechnet und auf der amerikanischen Seite bleiben die Dividenden außen vor. Das ist nicht etwa nur ein kleines Detail, sondern die Dividenden machen einen erheblichen Unterschied aus, wie wir gleich im konkreten Beispiel sehen werden.
Der DAX wurde basierend auf dem Wert des deutschen Aktienmarkts am 31. Dezember 1987 auf 1.000 Punkte normiert. Eingeführt wurde er am 1.7.1988 und wird seitdem in zwei Varianten berechnet: Neben dem bekannten DAX Performanceindex gibt es auch einen DAX Kursindex. Genau wie der DAX Performanceindex basiert dieser auf der Entwicklung der Aktienkurse der 40 größten deutschen Unternehmen, jedoch ohne die Berücksichtigung von Dividenden.
Der DAX Kursindex wurde parallel zum DAX Performanceindex eingeführt, da die Berechnung von Kursindizes international üblicher ist (z. B. S&P 500, Dow Jones). In Deutschland wird - warum auch immer - jedoch grundsätzlich der Performanceindex als Standard in der Börsenberichterstattung verwendet, was den DAX von vielen anderen globalen Indizes grundsätzlich unterscheidet und weniger gut vergleichbar macht.
Seit 1988 hat der DAX Performanceindex eine durchschnittliche jährliche Rendite von etwa 8,17% erzielt, während der DAX Kursindex nur bei etwa 5,47% pro Jahr liegt. Dieser Unterschied von rund 2,7 Prozentpunkten pro Jahr verdeutlicht den erheblichen Einfluss der reinvestierten Dividenden auf die langfristige Wertentwicklung.
In Punkten ausgedrückt wird dieser erhebliche Unterschied noch klarer
(Stand 5.12.2024):
Der DAX Performanceindex notiert bei über 20.000 Punkten, während der DAX Kursindex nur bei etwa 7.800 Punkten liegt. Beide Index-Varianten sind wohlgemerkt 1988 bei 1.000 Punkten gestartet! Diese große Diskrepanz verdeutlicht den Einfluss der reinvestierten Dividenden auf die langfristige Wertentwicklung.
Langfristige Entwicklung des DAX im Vergleich zum S&P 500
Wenn man die Entwicklung des DAX in beiden Varianten (Kursindex und Performanceindex) mit dem US S&P 500 in den letzten 20 Jahren vergleicht, dann ergibt sich folgendes Bild:
1. DAX Performanceindex:
Startpunkt (2004): Der DAX Performanceindex begann das Jahr 2004 mit einem Stand von etwa 4.000 Punkten.
Endpunkt (2024): Aktuell notiert der DAX Performanceindex bei rund 20.000 Punkten.
Gesamtperformance: Dies entspricht einer Steigerung von etwa 400% über den 20-Jahres-Zeitraum.
2. DAX Kursindex:
Startpunkt (2004): Der DAX Kursindex startete 2004 mit ungefähr 2.850 Punkten.
Endpunkt (2024): Derzeit liegt der DAX Kursindex bei etwa 7.800 Punkten.
Gesamtperformance: Dies entspricht einer Zunahme von etwa 173% in den letzten 20 Jahren.
3. S&P 500 Index:
Startpunkt (2004): Der S&P 500 Index begann das Jahr 2004 mit etwa 1.100 Punkten.
Endpunkt (2024): Aktuell steht der S&P 500 Index bei rund 6.100 Punkten.
Gesamtperformance: Dies entspricht einer Steigerung von etwa 444% über den gleichen Zeitraum.
Die durchschnittlichen jährlichen Renditen der Indizes über die letzten 20 Jahre (2004 bis 2024) sind:
Index | Gesamtperformance | Durchschnittliche jährliche Rendite |
DAX Performanceindex | 400% | 8,36% |
DAX Kursindex | 173% | 5,05% |
S&P 500 Index | 444% | 8,84% |
Bei oberflächlicher Betrachtung also meinen könnte, der DAX habe sich (gemessen am üblichen Performanceindex) in den letzten 20 Jahren gar nicht so unterschiedlich wie der S&P 500 entwickelt. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn man Äpfel mit Äpfel (sprich Kursindex mit Kursindex) vergleicht.
Entwicklung des DAX im Vergleich zum S&P 500 und Nasdaq 100 in den letzten 10 Jahren
Noch krasser ist die Underperformance des DAX Kursindex in den vergangenen 10 Jahren ausgefallen. Hier der Vergleich, wobei wir zusätzlich zum S&P 500 auch noch den durch Big Tech dominierten Nasdaq100 Index betrachten:
1. DAX Performanceindex:
Startpunkt (2014): Der DAX Performanceindex begann das Jahr 2014 mit einem Stand von etwa 9.400 Punkten.
Endpunkt (2024): Aktuell notiert der DAX Performanceindex bei rund 20.000 Punkten.
Gesamtperformance: Dies entspricht einer Steigerung von etwa 112% über den 10-Jahres-Zeitraum.
2. DAX Kursindex:
Startpunkt (2014): Der DAX Kursindex startete 2014 mit ungefähr 5.000 Punkten.
Endpunkt (2024): Derzeit liegt der DAX Kursindex bei etwa 7.800 Punkten.
Gesamtperformance: Dies entspricht einer Zunahme von etwa 56% in den letzten 10 Jahren.
3. S&P 500 Index:
Startpunkt (2014): Der S&P 500 Index begann das Jahr 2014 mit etwa 1.850 Punkten.
Endpunkt (2024): Aktuell steht der S&P 500 Index bei rund 6.100 Punkten.
Gesamtperformance: Dies entspricht einer Steigerung von etwa 229% über den gleichen Zeitraum.
4. Nasdaq 100 Index:
Startpunkt (2014): Der Nasdaq 100 Index startete 2014 mit etwa 3.500 Punkten.
Endpunkt (2024): Derzeit notiert der Nasdaq 100 Index bei rund 21.500 Punkten.
Gesamtperformance: Dies entspricht einer Zunahme von etwa 500% in den letzten 10 Jahren.
In den letzten 10 Jahren (2014 bis 2024) haben der DAX Performanceindex, der DAX Kursindex im Vergleich zum S&P 500 Index und Nasdaq 100 Index folgende durchschnittliche jährliche Renditen erzielt:
Index | Gesamtperformance | Durchschnittliche jährliche Rendite |
DAX Performanceindex | +112% | 7,8% |
DAX Kursindex | +56% | 4,5% |
S&P 500 Index | +229% | 12,6% |
Nasdaq 100 Index | +500% | 17,5% |
D.h. während die Kursentwicklung der DAX Werte durchschnittlich gerade mal 4,5% pro Jahr betrug, kam der S&P 500 in dieser goldenen Dekade auf eine grandiose zweistellige Durchschnittsrendite von 12,6%.
Den Vogel abgeschossen hat der Nasdaq 100 Index mit einer im historischen Vergleich außergewöhnlichen Langfristrallye, die im 10-Jahres-Schnitt unfassbare 17,5% Rendite einbrachte.
Meinen herzlichen Glückwunsch an all diejenigen unter Euch, die über die letzten 10 Jahre langfristig in einen Nasdaq ETF investiert waren. Ihr dürft Euch jetzt die Hände reiben.
Wie geht es in den nächsten 10 Jahren mit dem DAX weiter?
Ich habe immer noch keine funktionierende Kristallkugel. Ich glaube aber nicht, dass wir in den nächsten zehn Jahren noch einmal zweistellige Renditen beim S&P 500 und Nasdaq 100 sehen werden.
Die US Aktienindizes sind – angetrieben von den Big Tech-Unternehmen und der gegenwärtigen Trump-Euphorie – der realen Wirtschaftsentwicklung einfach zu weit vorausgelaufen. Ich befürchte, die nächsten zehn Jahre werden für Standardwerte diesseits und jenseits des Atlantik eher mau.
Gleichzeitig glaube ich nicht, dass sich die deutliche Outperformance des US-Aktienmarkts gegenüber Deutschland oder Europa in den nächsten Jahren umkehren wird. Nach dem kürzlichen Ausstieg aus der deutschen Autoindustrie bin ich derzeit bei keinem einzigen DAX Konzern mehr investiert. Optimismus für mein Heimatland sieht sicherlich anders aus.
Positiv formuliert bedeutet das: Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es sich lohnt, bei meinen eigenen Investments in Technologie- und Wachstumsaktien einen großen Fokus auf die US Nebenwerte aus der zweiten und dritten Reihe zu legen.
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