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Stefan Waldhauser

Mein Desaster mit der Compass Aktie - Crash der US Immobilienwerte




Es ist erst etwas mehr als einen Monat her, seit ich die schwierige Situation beim US Immobilienmakler Compass nach den Halbjahreszahlen hier kommentiert habe. Und doch hat sich die Situation rund um das Sorgenkind in meinem High-Tech Stock Picking wikifolio dermaßen zugespitzt, dass ich jetzt reagieren musste und meine verlustreiche Position aufgelöst habe.


Was ist passiert? Die Compass Aktie hat - wie andere US Immobilienmakler Aktien auch - im vergangenen Monat nochmals 25% verloren. Seit Jahresbeginn ist die Compass Aktie damit um über 70% abgestürzt.



Die Gründe für den Crash der US Immobilienaktien


Leider gibt es für diesen Kursverfall gute fundamentale Gründe. Denn all das, was man vom US Immobilienmarkt in den vergangenen Wochen lesen konnte, deutet darauf hin, dass sich dort eine ernste Krise zusammenbraut:


Die US Hypothekenzinsen sind in den vergangenen Monaten so schnell gestiegen wie nie zuvor in den vergangenen 40 Jahren. Bei Festschreibung auf 30 Jahre haben sich die Zinsen seit Jahresbeginn auf nun über 6% verdoppelt. Die Bauzinsen liegen damit fast doppelt so hoch wie in Deutschland und geben einen Vorgeschmack darauf, was auch bei uns bevorstehen könnte, wenn die EZB tatsächlich Ernst macht mit der Inflationsbekämpfung.


Der plötzliche Zinsanstieg hat die jahrelang durch das billige Geld aufgeblähte Nachfrage nach Eigenheimen in den USA abrupt abgewürgt und es ergibt sich gerade die ungewöhnliche Situation, dass trotz der hohen Inflation die Immobilienpreise nachgeben.



Der iBuying Pionier und Marktführer Opendoor hat Informationen von Bloomberg zufolge im August bei 42 % seiner Transaktionen die Häuser unter dem Einstandspreis verkauft. In Schlüsselmärkten wie Los Angeles oder Phoenix war der Preisverfall noch ausgeprägter mit Verlustquoten von 55% und 75%. Der September sieht angeblich noch schlimmer aus und lässt nichts Gutes - auch für die leidgeprüften Aktionäre von Opendoor - erahnen.


Die Stimmung bei den US Bauträgern ist seit Anfang des Jahres im freien Fall und der entsprechende Sentiment-Index im September den neunten Monat in Folge gesunken. Die Kombination aus steigenden Zinsen, gestörten Lieferketten für Baumaterialien und gestiegenen Baukosten schreckt immer mehr potentielle Käufer ab.


Einen echten Immobiliencrash mit zahlreichen Zwangsverkäufen und überregional zweistellig fallenden Häuser-Preisen auf breiter Front sagen die wenigsten Experten voraus. Nichts deutet jedoch darauf hin, dass der US Immobilienmarkt sich nach der plötzlichen Schwäche schnell wieder erholt.


Ich gehe mittlerweile davon aus, dass zumindest auch 2023 schwach wird. Die Zinsen dürften zunächst mal hoch bleiben oder sogar noch weiter steigen. Auch wenn die Häuserpreise etwas zurückkommen sollten, sind viele US Bürger auf einem Zinsniveau von über 5% p.a. nicht in der Lage, eine Finanzierung zu stemmen.


Was die Kombination von nachgebenden Immobilienpreisen und deutlich sinkenden Transaktionszahlen für die Umsätze der Maklerunternehmen wie Compass bedeutet, das kann man sich leicht ausmalen. Das Management rechnet ja auch im zweiten Halbjahr 2022 mit einem Einbruch des Marktes um 25%.


Meine Gründe für den Exit aus der Compass Aktie


Angesichts der hohen Buchverluste meiner Compass Position im Portfolio habe ich mich in den vergangenen Wochen immer wieder gefragt, ob ich die nötige Überzeugung entwickeln kann, um die Compass Aktie jetzt beherzt nachzukaufen. Denn hohe Buchverluste aussitzen zu wollen, war noch nie eine gute Lösung.


Bin ich einigermaßen sicher, dass Compass eine möglicherweise heftige Branchenkrise nicht nur überlebt, sondern gestärkt als einer der Branchenführer daraus hervorgehen und seinen Businessplan wie geplant weiter durchziehen kann?


Leider habe ich diese Kernfrage nicht mit einem eindeutigen “Ja” beantworten können. Neben den erheblichen Problemen am Gesamtmarkt lassen mich die folgenden Punkte an der Krisenfestigkeit des Unternehmens zweifeln:


Office Kosten belasten

Es gehört zur Strategie von Compass, seinen Agenten nicht nur eine moderne IT-Plattform, sondern auch - wie bei einem Premium Makler üblich - moderne Büroräume in allen wichtigen Märkten zur Verfügung zu stellen. Diese Offices verursachen extrem hohe Kosten und sind meist langfristig angemietet. Derzeit stehen Mietverträge mit Verbindlichkeiten von über $500 Mio. in der Compass Bilanz.


Das Gesundschrumpfen diesbezüglich ist schwierig. Offices zu schließen wird nicht möglich sein, ohne hohe Verluste zu verbuchen. Zudem würde man damit diejenigen Agenten vergraulen, die einen solchen Premium-Arbeitsplatz schätzen und erwarten.


Abgang der CFO

Seit dem 12. Mai ist bekannt, dass die Compass CFO, Kristen Ankerbrandt, das Unternehmen im September verlassen wird und ein (externer oder interner) Nachfolger gesucht wird. Damals war das für mich aufgrund der langen Übergangszeit nicht unbedingt ein Grund zur Beunruhigung. Aber bis heute (am 22. September) ist mir nicht bekannt, wie die Nachfolge geregelt ist. In der prekären Lage, in der sich das Unternehmen befindet, ist das ein No Go und wirft ein schwaches Bild auch auf den CEO.


Ausbleibende Insiderkäufe

Der Gründer und CEO Robert Reffkin ist ein erstklassiger Story-Teller. Der Höhepunkt seiner ganz persönlichen IPO-Story war Anfang 2021 der medienwirksame Kauf von Compass-Aktien - gemeinsam mit der Softbank - zum IPO Preis von 18$. Davon habe auch ich mich beeindrucken lassen.


Aber warum haben weder er noch andere Insider bis heute die abgestürzten Kurse zu beherzten Nachkäufen genutzt? Wie soll ich als außenstehender Retail-Investor die nötige Überzeugung zur Bewältigung einer solchen Unternehmenskrise entwickeln, wenn ich keine High-Conviction seitens der Insider erkennen kann?


Hoffnung alleine war noch nie ein guter Berater


Ich würde die Compass-Aktie schon alleine aufgrund der hohen Unsicherheit derzeit nicht mehr kaufen. Das bedeutet aber konsequenterweise auch, ich muss in den sauren Apfel beißen und mir eingestehen, dass nach meinem schmerzhaften Upstart-Exit auch dieser Compass Investment Case krachend gescheitert ist und ich die Buchverluste realisieren muss.


Wie konnte es so weit kommen?


Ich habe mich wohl vom charismatischen jungen Gründer und CEO Robert Reffkin blenden lassen und seine Fähigkeiten überschätzt. Und ich habe mich leider nicht abschrecken lassen von der Softbank als Lead Investor, die vorbörslich über $1 Mrd. zu einer Bewertung von über $6 Mrd. in Compass investiert hat. Aktuell beträgt der Enterprise Value nur noch $1,3 Mrd. Aber die Softbank ist ja seit Jahren bekannt dafür, gerne auch mal überhöhte Preise für ihre Beteiligungen zu zahlen.


Ich hatte Compass in meinem ersten Beitrag zum Unternehmen hier ganz richtig als “hochspekulative Investment-Story” eingestuft. So etwas kann daneben gehen, das ist kein Beinbruch und gehört dazu. Mein Plan vor einem Jahr war es, eine "Einstiegsposition der Compass Aktie als spekulative Beimischung" in das High-Tech Stock Picking wikifolio aufzunehmen. Das wäre noch ok gewesen. Doch leider habe ich in den Monaten danach (auch aufgrund von fehlenden fair bepreisten Investmentalternativen) den großen Fehler gemacht, Compass in meinem Portfolio zu hoch zu gewichten. Das fällt mir jetzt auf die Füße und ärgert mich.


Wer wird als Branchengewinner aus dieser Krise hervorgehen?


Es bleibt die Frage, welche US Maklerunternehmen denn als Gewinner aus diesem Zyklus hervorgehen. Denn auch diese Immobilienkrise wird vorübergehen, so viel scheint mir sicher.


Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die wenig digitalisierte Branche “Ready for Disruption” ist. Aber derzeit haben auch alle anderen potentiellen Disruptoren der Branche ähnlich wie Compass große Probleme:


Das durch Opendoor bekannt gewordene iBuying Geschäftsmodell, d.h. das massenhafte Kaufen, schnelle Renovieren und Verkaufen von Häusern wird m.E. an seiner Kapitalintensität scheitern. Neben Opendoor sind auch die Aktien der anderen iBuying Player wie Redfin und Offerpad um ca. 90% gecrasht und in großen Schwierigkeiten.



Zillow hat seine wenig erfolgreichen Experimente mit dem iBuying Modell ja schon wieder aufgegeben und versucht gerade, sich gesund zu schrumpfen.


Bemerkenswert ist, wie gut sich die bereits profitable eXp World Holdings in diesem Umfeld schlägt. Das Unternehmen versteht sich als rein virtueller Makler, der konsequent auf teure Büros verzichtet und mittlerweile 84.000 Agenten aus 22 Ländern unter seinem Dach vereint. Diese arbeiten generell aus dem Home-Office heraus. Das Unternehmen ist in der Kritik wegen seiner Multi-Level-Marketing Strategie, man gibt zahlreiche eigene Anteile als Incentive an die Agenten heraus. In der Vergangenheit führte das zu starker Verwässerung, dem man ab sofort durch Aktienrückkäufe entgegenwirken will.


In diese Unternehmen wurden in den vergangenen Jahren viele Milliarden von Risikokapital investiert, um die alten Strukturen der Real Estate Branche aufzubrechen. Bisher ohne sichtbaren Erfolg, wenn man sich deren Aktienkurse so betrachtet.


Ist die stark fragmentierte und wettbewerbsintensive Makler-Branche vielleicht sogar resistent gegen die digitale Revolution und die etablierten und krisenerprobten Player aus der “Old Economy” können ihre Positionen behaupten, während die jungen Angreifer in dieser Krise wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden?


Ich werde die spannende Branche trotz meines Tiefschlags mit der Compass Aktie weiter beobachten. Bei Interesse kannst Du jetzt hier meinen kostenlosen High-Growth-Investing-Newsletter abonnieren.


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