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Stefan Waldhauser

Rückblick auf 2022 - ein Jahr zum Vergessen



Seit mittlerweile 35 Jahren bin ich an der Börse aktiv - davon die meiste Zeit mit einem Schwerpunkt in Technologie- und Wachstumsaktien. Ich habe neben vielen guten und sehr guten Jahren schon einige Krisen erlebt: Das Platzen der Dotcom - Blase nach der Jahrtausendwende, den Crash am Neuen Markt, die durch die Finanzkrise 2008 ausgelöste Rezession.


Dennoch war dieses Krisenjahr 2022 vor dem Hintergrund von Krieg, historisch schneller Zinswende und galoppierender Inflation das für mich persönlich schwächste Börsenjahr überhaupt. Das ist sehr enttäuschend angesichts meiner großen Erfahrung.


Wie konnte das passieren?


Zunächst mal muss man konstatieren, dass die großen Aktienindizes 2022 gar nicht so viel verloren haben: Der DAX gab gerade mal 13% ab. Der MSCI World sowie der S+P 500 büßten ca. 20% ein, das war das schwächste Jahr seit der Finanzkrise 2008.


Der Nasdaq 100 Index hat mit -33% wesentlich schlechter abgeschnitten, obwohl er noch gestützt wurde durch zahlreiche im Nasdaq 100 enthaltenen Nicht-Tech-Werte.


Für viele Tech-Investoren jedoch fühlt sich dieser Bärenmarkt - wie auch für mich - noch viel übler an als die großen Indizes belegen. Denn die bis 2021 hoch bewerteten Technologie- und Growth-Aktien haben weitaus größere Verluste erlitten.


Der Nasdaq Cloud Index büßte alleine 2022 über 52% ein und hat nun insgesamt fast zwei Drittel vom Höchststand aus 2021 verloren. Dem Nasdaq Internet Index erging es nicht wesentlich besser. Der ARK Innovation ETF von Starinvestorin Cathie Wood verlor 2022 sogar über zwei Drittel seines Wertes und liegt nun 80% unter den ehemaligen Höchstständen. Sogar die Tesla - Blase ist mittlerweile geplatzt, aber das ist ein anderes Thema.


Vor diesem Hintergrund will ich mit diesem Jahresrückblick ein Fazit meiner eigenen Investments im High-Tech Stock Picking wikifolio im Börsenjahr 2022 ziehen und kurz die Aufstellung für 2023 erläutern.


Der Absturz des High-Tech Stock Picking wikifolios


Das High-Tech Stock Picking wikifolio ist 2022 um ziemlich genau 50% gecrasht. Da gibt es wenig zu beschönigen und es macht auch wenig Sinn, sich damit zu trösten, dass es zahlreiche andere Tech-Fonds von angeblichen oder (besser gesagt) ehemaligen Star-Investoren gibt, die noch schlechter waren.


Mit einem in Euro notierten Nasdaq ETF (z.B. ISIN LU1829221024) hat ein Anleger 2022 “nur” ca. 28% verloren. Das bedeutet für mein wikifolio nach 2021 zum zweiten Mal hintereinander eine deutliche Underperformance gegenüber meiner selbst gewählten Benchmark, nachdem ich 2016-2020 die Nasdaq deutlich outperformt hatte.



Damit ist die Performance des wikifolios im langfristigen Vergleich - erstmals seit der Auflage 2016 - deutlich hinter einen Nasdaq ETF zurückgefallen. Das wurmt mich. Und es motiviert mich zugleich. Ich werde alles daran setzen, um diesen Zwischenstand in den kommenden Jahren zu korrigieren.


Woran hat es gelegen?


Im Endeffekt muss ich mir einen schwerwiegenden Fehler beim Portfoliomanagement vorwerfen: Zwar habe ich ganz richtig die Überbewertung von Cloud-, Internet- und Plattform-Aktien erkannt und bis 2021 hohe Gewinne mit solchen Werten realisiert. Mir war auch sehr wohl bewusst und ich hatte immer wieder davor gewarnt, dass der Tech-Sektor in seiner ganzen Breite bis dahin sehr sportlich bepreist - sprich überbewertet - war.


Aber ich führe mit meinem wikifolio nunmal ein reines Tech Aktien-Depot und kann mit diesem Musterportfolio nicht beliebig in andere Assets investieren. Dennoch hätte ich zum damaligen Zeitpunkt auf dem Höhepunkt des Tech-Hype ganz einfach eine noch höhere Cashquote vorhalten und auf attraktivere Kurse warten sollen.


Stattdessen habe ich 2020/2021 nach denjenigen High-Growth-Unternehmen gesucht, die nicht gerade zu Mondpreisen gehandelt wurden. Nur habe ich dabei unterschätzt, wie anfällig die Geschäftsmodelle dieser Companies in einem sich rapide schwieriger gewordenen wirtschaftlichen Umfeld sind. Im Endeffekt habe ich mir bei dieser vermeintlichen Schnäppchenjagd einige (im Nachhinein betrachtet) zweitklassige Companies ins Depot geholt. Dabei habe ich gleich mehrere Male kräftig daneben gelangt wie bei Upstart, Compass oder SimilarWeb, wo ich große Verluste realisiert habe.


Hinterher ist man immer schlauer, aber das war tatsächlich ein Kardinalfehler von mir. Denn ich habe gegen eine meiner eigenen Grundregeln verstoßen, die da lautet: “Kaufe keine durchschnittlichen Unternehmen zum vermeintlich günstigen Preis”. Das hat viel Performance gekostet. Sehr ärgerlich.


Aufstellung des wikifolios für 2023


2022 sind aber nicht nur die Aktien der - im Nachhinein betrachtet - zweitklassigen Unternehmen wie die oben genannten, sondern fast alle Aktien von Technologie- und Plattform-Companies übel unter die Räder gekommen. In meinem Portfolio habe ich darauf mit antizyklischen Nachkäufen meiner Favoriten reagiert. Die haben sich bis jetzt noch nicht ausgezahlt.


Relativ hoch gewichtet habe ich aktuell mit der IAC Internetholding und LendingClub zwei besonders tief gefallene Aktien von Unternehmen, die trotz des schweren Fahrwassers gut durch die Krise kommen sollten. Beide sind deutlich unterbewertet, sofern sie denn ihre Widerstandskraft, wie von mir erwartet, 2023 und in den Folgejahren beweisen können.


Ich hatte kürzlich hier im Blog beschrieben, warum die tief gefallene IAC Aktie für mich ein High-Conviction Buy ist.


Die Aktie von LendingClub wird mittlerweile 20% unter ihrem Buchwert gehandelt bzw. zum 3-fachen des in den vergangenen 12 Monaten erzielten Nettogewinns. Hier zum Nachlesen meine jüngste LendingClub Aktienanalyse.


Dazu finden sich im Portfolio mit den ebenfalls übergewichteten Aktien von Pure Storage, Arista Networks und Qualys drei Tech-Werte, die sich aufgrund ihrer sehr guten fundamentalen Entwicklung im Bärenmarkt recht gut gehalten haben.


Warner Bros. Discovery dürfte sich nach Abschluss des schmerzhaften Fusionsprozeses nicht nur als ein breit aufgestelltes und profitables Medienunternehmen entpuppen, sondern sich zu einem der weltweit führenden Streaming-Anbieter entwickeln. Dennoch wird das Unternehmen derzeit aufgrund der hohen Verschuldung bei einer Marktkapitalisierung von $23 Mrd. weit unter dem ausgewiesenen Eigenkapital von $50 Mrd. gehandelt.


Auch Airbnb war seit dem Börsengang vor zwei Jahren noch nie so günstig zu haben wie heute. Und das, obwohl die Reiseplattform seitdem eine hervorragende fundamentale Entwicklung hinlegte.


In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich nach dem Kurssturz zudem wieder eine Reihe von Cloud-Aktien ins Depot aufgenommen. CrowdStrike, Datadog und HubSpot sind allesamt (gemessen am Cashflow) hoch profitable und schnell wachsende SaaS-Unternehmen, die jetzt endlich wieder zu “normalen” einstelligen EV/Sales - Verhältnissen zu haben sind. Aber um es klar zu sagen: Die Aktien dieser Qualitäts-Unternehmen sind nach wie vor keine Schnäppchen. Sie werden jedoch wohl noch viele Jahre lang zügig wachsende Umsätze sowie überproportional steigende Cashflows zeigen und sollten damit zügig in ihre Bewertung hinein- und darüber hinaus wachsen.


Insgesamt habe ich die Software-As-A-Service Branche nun wieder mit fast 30% Depotanteil und damit viel höher als in den vergangenen beiden Jahren gewichtet. Ich sehe diese Branche nun wieder als sehr aussichtsreich an und werde 2023 hier im Blog auch wieder verstärkt solche Cloud-Aktien thematisieren.


Das Big Picture

Die Durchschnittsrendite des High-Tech Stock Picking wikifolios beträgt - nach allen Kosten - seit dem Start in 2016 nach diesem Katastrophenjahr "nur" noch 9,8% p.a. Damit bin ich nicht zufrieden, denn eine zweistellige Rendite traue ich mir mit Tech-Aktien auch auf langfristige Sicht nach meinen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte allemal zu.


Aber diese Durchschnitts-Rendite von kanpp 10% hilft, das Crash Jahr 2022 einzuordnen. Es war zumindest mir immer klar, dass die Traumrenditen von 25-30% p.a. wie ich sie etliche Jahre lang mit dem wikifolio erzielt habe, langfristig nicht realistisch sind. Jetzt ist das Pendel am Markt für Tech Aktien nach der Übertreibung nach oben einmal kräftig nach unten ausgeschlagen.


Auch ich hatte ein katastrophales Jahr, habe zu viele Fehler gemacht und das wikifolio landet bei einer Durchschnittsrendite von nur noch knapp 10%. Das mag enttäuschen, ist aber so schlecht auch wieder nicht und beinhaltet immerhin noch eine ordentliche Risikoprämie gegenüber den meisten Anlage-Alternativen.


Es gibt viele Anzeichen, die darauf hindeuten, dass wir uns dem Ende des Tech-Bärenmarktes nähern. Die Zinserhöhungen dürften 2023 auslaufen. Die Rezession könnte zumindest in USA doch eher milde ausfallen. Viele High-Growth-Unternehmen werden 2023 beweisen, dass sie durchaus sehr profitabel arbeiten können. Denn aktuell geht das Wachstum fast überall zurück, die meisten Growth-Companies werden den "Land-Grab"-Modus verlassen und weniger das Wachstum als vielmehr die Profitabilität optimieren. Aus Unternehmen mit 80% Rohmargen können dann ganz zügig regelrechte Cashflow-Maschinen werden.


Das ist ein Umfeld, in dem Börsianer früher oder später die Attraktivität von hochwertigen Growth-Unternehmen aus der zweiten oder dritten Reihe wieder neu entdecken werden. Dann sollte man in solchen Aktien bereits investiert sein.


Etwas weniger optimistisch bin ich für die Entwicklung des Nasdaq 100. Denn die Dickschiffe wie Apple, Microsoft oder Tesla und Nvidia sind auch nach der Korrektur noch keineswegs preisgünstig zu haben.


Fazit


2022 war ein grausames Jahr für mein wikifolio. Nach 5 sehr positiven Jahren mit Gewinnen zwischen jeweils knapp 20% und 45% pro Jahr ist das Portfolio in den letzten 12 Monaten um 50% gecrasht.


Für die Zukunft bin ich allerdings optimistischer denn je. Die im wikifolio enthaltenen Aktien sind jetzt so günstig bewertet wie noch nie seit dem Start des Musterportfolios anno 2016. Auch wenn die Kurse derzeit eine andere Sprache sprechen: Erstklassige Technologieunternehmen und digitale Plattformen werden sich auch unter herausfordernden Rahmenbedingungen weiterhin langfristig gut entwickeln.


In der Vergangenheit gab es nach solchen Schwächephasen der Tech-Aktien oftmals eine stürmische Erholung zumindest derjenigen Werte, die an der Börse deutlich unter ihrem fairen Wert (in der realen Welt außerhalb der Börse) notierten. In diesen Erholungsphasen trennt sich die Spreu vom Weizen. Darauf hoffe ich auch dieses Mal. Und ich vertraue darauf, dass ich weniger Fehler mache als zuletzt.

One More Thing


Ich werde immer wieder gefragt, ob ich persönlich mit meinem Privatvermögen denn genauso ausschließlich in Tech- und Growth-Aktien investiert sei wie mit meinem wikifolio. Dem ist glücklicherweise nicht so. Denn Diversifikation über verschiedene Assetklassen hinweg ist natürlich auch für mich wichtig. Daher befinden sich neben Immobilien auch Dividenden-Aktien anderer Branchen sowie einige außerbörsliche Unternehmensbeteiligungen in meinem Portfolio.


Dennoch schreibe ich auf diesem Blog nahezu ausschließlich über Tech- und Growth-Aktien. Mein öffentliches Musterportfolio besteht aus mehr oder weniger reinrassigen Tech-Werten. Der einfache Grund: Ich habe im Tech-Sektor meine Expertise und glaube, in diesem Bereich etwas zur allgemeinen Information beitragen zu können.


Mein Schweigen bzgl. der Aktien aus anderen Branchen bedeutet jedoch selbstverständlich nicht, dass ich ein Investment dort ablehne. Ganz im Gegenteil. Ich halte nur nichts davon, wenn selbsternannte Experten zu jeder Branche und in jeder Börsenlage ihren Senf dazugeben müssen, je nachdem was gerade angesagt ist.


Wenn Du die weitere Entwicklung der Tech-Aktien im Allgemeinen und meiner Portfolio-Unternehmen im Speziellen gemeinsam mit mir beobachten möchtest, dann kannst Du jetzt meinen kostenlosen wöchentlichen High-Growth-Investing Newsletter bestellen.


Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile der in diesem Beitrag genannten Unternehmen. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.


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