Vorsicht vor Cloud Computing - ETFs
ETFs (Exchange Traded Funds) bzw. Indexfonds als kostengünstige „passive“ Alternative zu klassischen „aktiven“ Aktienfonds sind längst aus ihrer einstigen Nische entwachsen und haben in den vergangenen Jahren eine einzigartige Erfolgsstory hingelegt.
Auch ich als leidenschaftlicher Stock-Picker bin davon überzeugt, dass ETFs für viele Anleger eine gute Möglichkeit bieten, um von den Chancen am Aktienmarkt zu partizipieren. Ideal geeignet sind ETFs insbesondere für Leute, die sich um ihre Geldanlage wenig kümmern, ihr Geld auch niemandem anvertrauen wollen und mit einer durchschnittlichen Rendite zufrieden sind.
Die Anbieter von ETFs werben in der Regel mit folgenden Eigenschaften um die Anleger: ETFs sind kostengünstiger als aktive Fonds, da die erheblichen Kosten für eigenes Research und das aktive Management wegfallen. Dazu seien sie weniger risikobehaftet als ein Portfolio von Einzelaktien, da mit dem ETF breit gestreut investiert wird. Damit seien ETFs perfekt geeignet für Leute, die noch zu unerfahren am Aktienmarkt sind, um erfolgreich Stock-Picking zu betreiben oder die einfach nicht die Zeit oder Lust haben, sich mit Einzelaktien zu beschäftigen.
Soweit so gut. Für die weit verbreiteten ETFs auf den weltweiten MSCI World Index oder auf regionale Indizes wie den S+P 500 Index der größten US-Aktien kann ich diese positiven Eigenschaften durchaus bestätigen.
Der Trend zu Themen ETFs
Nun gibt es allerdings im laufenden ETF-Boom auch eine Vielzahl neuer ETF-Produkte, die Aktien zu einem bestimmten Thema bündeln.
In einem viel gelesenen Beitrag habe ich vor einigen Monaten hier schon mal erläutert, warum Tech-ETFs riskante Wetten auf Apple und Microsoft sind.
Damals hatte ich beobachtet,
"dass viele ETF-Fans sich ihr Portfolio aus teilweise hochspezialisierten ETFs zusammenbasteln und dabei eine Outperformance anstreben. Sie gehen dabei von der Grundannahme aus, ein ETF sei grundsätzlich nicht nur kostengünstiger sondern auch risikoärmer als ein aktiver Fonds oder wikifolio, da ein Indexfonds ja generell sehr breit gestreut investiert und einen Markt, eine Branche oder Thema ganzheitlich abdeckt."
Seit dieser Beobachtung ist weniger als ein Jahr vergangen. Ich habe den Eindruck diese Tendenz des aktiven Portfoliomanagements mit passiven ETFs hat sich seitdem noch erheblich verstärkt:
Hochspezialisierte Themen-ETFs spriessen wie Pilze aus dem Boden: Suchmaschinen wie justETF.com bieten inzwischen mehr als 1.000 ETFs an. Dabei sind mittlerweile auch fast alle Mode-Themen rund um Tech-Aktien wie Digitalisierung, Cyber Security, Künstliche Intelligenz, Robotik, Cloud Technologie und sogar Batterietechnik und E-Sports als ETF zu haben.
Ich wage mal zu behaupten, dass die Wahl des richtigen ETFs mittlerweile nicht weniger komplex ist als die Wahl der richtigen Einzelaktie oder eines guten (aktiven) Fonds.
Wirecard befeuert den ETF Boom
In den vergangenen Monaten seit dem Corona-Crash meldeten viele Broker Rekordzahlen bei den Depotneueröffnungen. Viele Anleger kommen erstmals neu an die Börse. Es hat sich herumgesprochen, dass Investieren besser ist als Sparen.
Das ist eine tolle Entwicklung. Prima. Es scheint also doch voranzugehen mit der Aktienkultur.
Wenn da nicht der Gegenwind durch den Wirecard Bilanzskandal wäre. Etliche Privatanleger haben in den vergangenen Wochen mit der Wirecard-Aktie ein Fiasko erlebt und mussten erfahren, dass Einzelaktien stets mit erheblichen Risiken behaftet sind.
Von einigen Wirecard-Geschädigten habe ich gehört, dass sie zukünftig doch eher „breit gestreut und risikoärmer“ in ETFs anstatt in Einzelaktien investieren wollen. Jetzt suchen diese Anleger in der Fülle der ETFs - völlig nachvollziehbar - nach denjenigen, welche die beste Performance bieten. Und sie landen dann z.B. bei einem Cloud-ETF.
Da wäre z.B. der WisdomTree Cloud Computing ETF (WKN: A2PQ36). Dort enthalten sind herausragende Unternehmen wie Fastly, Twilio, Zoom, Shopify, Wix, Docusign, die denjenigen von Euch, die regelmäßig meinen Beiträgen hier und auf dem Blog von The Digital Leaders Fund folgen, bekannt sein dürften.
Dieser Cloud ETF hat seit Jahresbeginn eine Performance von atemberaubenden 58% erzielt. (Stand 2. Juli 2020).
Dagegen sehen natürlich all die anderen bekannten ETFs auf MSCI World (-3%), S+P 500 (-4%) oder auch auf die NASDAQ (+14%) alt aus.
Und auch aktiv verwaltete Tech-Portfolios wie mein High-Tech Stock Picking wikifolio (+23%) können da nicht ansatzweise mithalten.
Also greifen viele Privatanleger beim Cloud ETF gerne zu und glauben, damit einen High-Performer mit begrenztem Risiko (denn es ist ja ein angeblich breit diversifizierter ETF) zu äußerst günstigen Kosten gefunden zu haben.
Wo ist der Haken?
Das Portfolio des Cloud ETF
Ich hab mir mal die Mühe gemacht, einen kleinen Blick unter die Motorhaube dieses ETF zu werfen und das Portfolio etwas genauer anzuschauen. Dieses besteht - wenig überraschend - aus all den Cloud-Aktien, die in den vergangenen Monaten „durch die Decke gegangen“ sind, wie man so schön sagt.
Die folgende Tabelle zeigt die Stand 2. Juli 2020 am höchsten gewichteten Titel im o.g. Cloud ETF mit ihrer Bewertung:
Abb.: Die Top 10 des Wisdom Tree Cloud Computing ETFs
Das durchschnittliche Enterprise Value / Sales Verhältnis der Top10 Werte im Cloud ETF beträgt auf Basis der Umsatzzahlen der vergangenen 12 Monate weit über 40.
Wow...
Selbst wenn man das atemberaubende Wachstum vieler dieser SaaS-Aktien berücksichtigt: Diese Bewertungen sind jenseits von gut und böse und liegen weit über den Preisen, die Finanzinvestoren außerhalb der Börse zu zahlen bereit wären.
Ich sehe angesichts solcher Bewertungen mittlerweile deutliche Anzeichen einer Blase bei den allermeisten dieser Cloud-Aktien. Der o.g. Cloud-ETF ist ein reinrassiges Investment mitten in diese Blase hinein. Wenn Du in diesen ETF investierst, dann ist das genauso riskant wie ein Investment in ein Bündel dieser hoch bewerteten Einzeltitel.
Die gewünschte Risikominimierung durch breite Diversifikation kann kaum erreicht werden. Denn wenn die Blase platzt und Cloud-Aktien abstürzen, dann werden sie das aller Erfahrung nach gemeinsam tun. Und der Cloud-ETF wird der Entwicklung der Einzelaktien 1:1 folgen.
Das High-Tech Stock Picking wikifolio im Vergleich
Auch die Aktien in meinem High-Tech Stock Picking wikifolio sind in den vergangenen Monaten wesentlich teurer geworden, viele haben kürzlich ein All-Time-High erreicht. In der vergangenen Woche durfte ich mich mit denjenigen von Euch, die gemeinsam mit mir investiert sind, über neue Höchststände für das Gesamtportfolio freuen.
Der Höhenflug der SaaS-Aktien hat auch in meinem wikifolio seinen Teil zu der grandiosen Performance von derzeit 30% in den letzten 12 Monaten (Stand 3.7.20) beigetragen. Mittlerweile habe ich die Gewichtung der meiner Meinung nach überteuerten Cloud-Aktien im Portfolio jedoch deutlich heruntergefahren.
Die folgende Tabelle zeigt die derzeit am höchsten gewichteten Titel im High-Tech Stock Picking wikifolio mit ihrer Bewertung:
Abb.: Die Top 10 des High-Tech Stock Picking wikifolios
Das durchschnittliche Enterprise Value / Sales Verhältnis der Top10 Werte im High-Tech Stock Picking wikifolio beträgt auf Basis der Zahlen der vergangenen 12 Monate derzeit etwas mehr als 9.
Die Spanne ist sehr groß: von den 10 top-gewichteten Aktien weisen 6 einen Multiplikator von weniger als 6 auf. Nur 3 Werte haben ein zweistelliges EV/Sales - Verhältnis. Mit Alteryx und The Trade Desk sind weiterhin zwei Werte dabei, die sehr teuer sind und den Durchschnitt deutlich nach oben ziehen.
Sicherlich vergleicht man etwas Äpfel mit Birnen, wenn man das durchschnittliche EV/Sales Verhältnis der High-Flyer-Aktien im Cloud ETF mit meinen Favoriten im wikifolio vergleicht. Denn letztere stammen aus den verschiedensten Tech-Segmenten (SaaS, Social Media, Networking, IT-Infrastruktur) und wachsen teilweise wesentlich langsamer.
Dennoch kann ein mehr als 4x so hohes EV/Sales-Verhältnis des Cloud-ETFs im Vergleich zum wikifolio durchaus als warnender Hinweis für ein deutlich erhöhtes Risiko dieses reinrassigen Cloudaktien-Portfolios verstanden werden.
Fazit
Cloud ETFs sind angesichts der aktuellen Bewertung derzeit hochspekulative Anlageprodukte, die größtenteils in derzeit fundamental überteuerte Aktien investieren. Kein Anleger sollte glauben, diese Cloud-ETFs seien in irgendeiner Weise risikoreduziert gegenüber einem Direktinvestment in die derzeit so beliebten Cloud-Aktien.
Der Wert dieser ETFs kann in einer kommenden Korrektur auch schnell mal implodieren. Wer das nicht aushalten kann, der sollte die Finger davon lassen oder nur behutsam und gestaffelt einsteigen. Statt einer Einmalanlage kann ein Sparplan eine gute Alternative sein, um langfristig in das Thema Cloud Computing zu investieren.
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