7 Börsen-Dummheiten und wie Du sie vermeidest
Der Bilanzbetrug bei Wirecard hat leider viele Privatanleger extrem hart getroffen. Oftmals noch viel härter, als es selbst in einem solchen Extremfall sein dürfte. Das konnte nur deshalb passieren, weil viele Hobby-Börsianer am Aktienmarkt leider grundsätzliche Fehler machen, die es unbedingt zu vermeiden gilt.
Mir persönlich hat dieses Wirecard-Desaster vor allem eines vor Augen geführt:
Ich will ja mit meinem Blog seit 2017 einen Beitrag dazu leisten, die Aktienkultur im deutschsprachigen Raum zu verbessern. Aber evtl. bin ich dabei bisher etwas zu ambitioniert vorgegangen. So habe ich zwar in einer längeren Blog-Serie ausführlich meine Strategie zum High-Growth-Investing beschrieben.
Aber ich habe es bisher leider versäumt, auf diesem Blog vor den gröbsten Fehlern am Aktienmarkt zu warnen. Der heutige Beitrag wendet sich daher ganz gezielt an die noch unerfahrenen Anleger unter Euch.
Wenn Du die folgenden Dummheiten erfolgreich vermeidet, dann ist ein großer erster Schritt getan auf Deinem Weg zu einem erfolgreichen Investor:
Dummheit Nr. 1: An der Börse schnell reich werden wollen
Gier und Furcht sind die beiden Gefühle, die auf Deinem Weg zu einem erfolgreicher Investor ständig gegen Dich arbeiten. Beide Gefühle sind nur allzu menschlich und wir alle tragen diese Gefühle in uns. Aber an der Börse müssen wir versuchen, rational zu handeln und diese Gefühle auszuschalten.
Ich hatte Anfang dieses Jahres schon mal darüber berichtet, was von den Traumrenditen der Daytrader zu halten ist, die Euch auf ihren Internetseiten und Social-Media-Accounts gerne 3-5% Gewinn pro Monat versprechen.
Ich selbst habe mit dem High-Tech Stock Picking wikifolio in einem ziemlich perfekten Umfeld für Technologieaktien seit 2016 eine durchschnittliche Performance von 26,4% (Stand 26.06.2020) erzielt und bin damit mehr als zufrieden. Ich gehe sogar davon aus, dass diese Rendite nicht dauerhaft zu halten sein wird, obwohl ich mich als Profi-Investor ja den ganzen Tag mit dem Stock-Picking beschäftige und mittlerweile mehr als 30 Jahre Erfahrung habe.
Wer noch mehr von sich erwartet, um ausgehend von einem bescheidenen Startkapital an der Börse schnell reich zu werden, der wird scheitern.
Mein Rat: Setze Dir ambitionierte, aber realistische Ziele wie z.B. eine durchschnittlich zweistellige Rendite pro Jahr. Dann wirst Du Dir LANGFRISTIG ein Vermögen aufbauen. Und nur darum kann es an der Börse gehen.
Dummheit Nr. 2: Eine Aktie kaufen, weil ihr Kurs auf einem All-Time-High notiert
Ich frage unerfahrene Privatanleger immer wieder mal, warum sie eine bestimmte Aktie denn gekauft haben. Oft bekomme ich eine von zwei Antworten. Die erste Antwort ist, dass der Kurs der Aktie doch in letzter Zeit so hoch gestiegen sei, die werde doch jetzt sicherlich noch weiter steigen.
Sogar etliche Profi-Trader handeln nach diesem Grundgedanken und nennen das ganze dann „Momentum-Strategie“. Einige dieser Profi-Trader sind sogar recht erfolgreich damit.
Für normale mittel- oder langfristig orientierte Privatanleger ist eine solche Strategie jedoch tödlich, bei der sie systematisch Unternehmensanteile zu Höchstpreisen einkaufen.
Denn immer wieder kommt es vor, dass Börsenkurse weit über den echten Wert der Unternehmensanteile in der realen Welt hinaus schiessen. Wenn immer mehr Anleger gemäß einer Momentum-Strategie zu immer neuen Höchstkursen kaufen, dann kann das eine ganze Weile gut gehen und die Kurse steigen immer höher, aber es entsteht eine Blase. Wenn sich das Blatt aber wendet, dann wollen alle diese Anleger gleichzeitig verkaufen und die Blase platzt.
Die Profi-Trader schaffen dann evtl. noch rechtzeitig den Absprung, der normale Privatanleger aber sieht sich mit plötzlichen Verlusten konfrontiert und sitzt auf Unternehmensanteilen, die in der realen Welt evtl. viel weniger wert sind.
Mein Rat: Du solltest wissen warum Du eine Aktie kaufst und eine Vorstellung von ihrem fairen Wert haben. Hier hatte ich mal zusammengeschrieben, wie Du das Potential einer Technologieaktie einschätzen kannst und wie man Technologieaktien bewerten kann.
Dummheit Nr. 3: Eine Aktie kaufen, weil ein anderer sie empfohlen hat
Die zweithäufigste Antwort von Börsen-Neulingen auf meine Frage warum eine bestimmte Aktie gekauft wurde lautet: „Weil sie mir von x empfohlen wurde“.
Du solltest grundsätzlich keine Aktien kaufen, nur weil andere sie empfehlen. Es ist durchaus sinnvoll, immer wieder neue Investment-Ideen mit Hilfe von Beiträgen aus vertrauenswürdigen Informationsquellen zu generieren.
Aber wenn Du in Einzelaktien investieren willst, dann solltest Du Dir Deine eigene Meinung bilden, wirklich selbst und bewusst entscheiden und keinesfalls blind Deinem Nachbarn oder irgendeinem Guru aus Internet, Fernsehen oder Börsenbrief nachlaufen.
Das gilt selbstverständlich auch für meine eigenen Investment-Ideen. Erschreckt zucke ich immer dann zusammen, wenn ich mitbekomme, dass Anleger Einzelaktien für ihr Portfolio kaufen, nur weil ich sie in meinem wikifolio habe. Manchmal treffe ich Entscheidungen, die im Kontext dieses wikifolios für mich Sinn ergeben, aber für Dein Portfolio je nach persönlicher Situation und Risikoneigung kontraproduktiv sein können.
Mein Rat: Du kannst nicht die Zeit und Energie aufwenden, um Dir Deine eigene Meinung über Einzelaktien zu bilden und willst dennoch am Aktienmarkt engagiert sein? Es gibt genug auf Aktien basierende Anlageprodukte, die Dir beim Investieren helfen können. Denke doch mal darüber nach, statt in Einzelaktien in ETFs, gute aktive Aktienfonds oder auch wikifolios zu investieren.
Dummheit Nr. 4: Einen Kredit aufnehmen, um Aktien zu kaufen
Bevor Du mit dem Investieren beginnst, solltest Du Dich kritisch fragen, ob Du über die Mittel dazu verfügst. Du solltest grundsätzlich nur eigenes Geld anlegen. Jedes Engagement am Aktienmarkt enthält ein Risiko, das hat der Fall Wirecard vielen Anlegern mal wieder schmerzhaft vor Augen geführt.
Man kann unterschiedlicher Meinung sein, wieviel Geld Du als Notgroschen auf der hohen Kante haben solltest, bevor Du am Finanzmarkt aktiv wirst. Ich rate zu mindestens zwei Monatseinkommen.
Ein absolutes NoGo ist für mich der Wertpapierkauf auf Kredit. Denn dann bestimmt u.U. sogar Deine Bank, wann Du eine bestimmte Aktie verkaufen musst. Der Grund: in der Regel werden bei solchen Krediten die Wertpapiere als Sicherheiten akzeptiert. Wenn diese aber in einem Crash auch nur vorübergehend ihren Wert verlieren, dann kann Dich die Bank mit einem sogenannten "Margin Call“ zum Verkauf gerade zum ungünstigsten Zeitpunkt zwingen.
Mein Rat: Der Aktienkauf auf Kredit sollte für Dich absolut Tabu sein! Auch wenn es verlockend klingt, billiges Geld zu niedrigen Zinsen zu leihen, mit dem man in den vergangenen Jahren tolle Aktienrenditen erzielen konnte.
Dummheit Nr. 5: Alle Eier in einen Korb legen
Ich habe in den vergangenen Tagen mit Schrecken davon gehört, dass einige Privatanleger große Teile ihres Vermögens in die Wirecard-Aktie investiert hatten und jetzt vor dem Super-GAU stehen.
Das sind sicherlich seltene Einzelschicksale. Was es jedoch viel öfters gibt ist, dass langjährige Angestellte in einem Konzern jährlich ihre Mitarbeiteraktien zeichnen, diese auf einem Depot manchmal über Jahrzehnte hinweg ansammeln und ansonsten mit Aktien und Börse nichts zu tun haben wollen.
Diese Leute haben meist keine Ahnung, welch hohes Klumpenrisiko sie da eingehen. Erstens ist ihr Depot schlechtestmöglich diversifiziert und zweitens korreliert das Risiko ihres Portfolios auch noch maximal mit der Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes. D.h. Wenn der Arbeitgeber in Schieflage gerät (ja das kann auch bei deutschen DAX-Konzernen mal vorkommen), dann ist im schlimmsten Fall nicht nur der Arbeitsplatz futsch, sondern das eigene Aktienportfolio könnte gleichzeitig implodieren.
Mein Rat: Wenn Du in Einzelaktien investiert bist, dann solltest Du auch bei kleinen Depots immer mindestens 10 unterschiedliche Aktien im Portfolio haben. Dann kann auch ein Super-GAU wie bei Wirecard nicht mehr allzu viel Schaden anrichten.
Dummheit Nr. 6: Eine Aktie kaufen, weil der Kurs optisch niedrig ist
Eine Aktie stellt bekanntlich einen Anteil am Eigenkapital eines Unternehmens dar. Die relative Größe dieses Anteils am Gesamtunternehmen ist klar definiert durch die Anzahl der ausgegebenen Aktien. Wenn ein Unternehmen z.B. insgesamt 1 Mio. Aktien ausgegeben hat und an der Börse 100 Mio. Euro wert ist (Marktkapitalisierung), dann beträgt der Kurs der einzelnen Aktie 100 Euro. Wenn ein Aktionär in diesem Beispiel 1.000 Aktien besitzt, dann gehören ihm 0,1% des gesamten Unternehmens.
Ein Unternehmen kann über einen sogenannten Aktiensplit den Preis seiner Aktien optisch verbilligen z.B. durch die Ausgabe von Gratisaktien an die Aktionäre. Wenn diese Gratisaktien im Verhältnis 1:1 ausgegeben werden (also eine neue Aktie für jede alte Aktie) dann würde sich der Kurs der Aktie halbieren, die Aktienanzahl hat sich verdoppelt und der Wert des Unternehmens ist bei dieser Aktion natürlich gleich geblieben. Im obigen Beispiel würde es dann 2 Mio. Aktien geben und der Kurs beträgt nur noch 50 Euro. Je mehr Aktien ausgegeben wurden, desto niedriger ist rein optisch der Kurs.
Der Kurs der Aktie ergibt sich, in dem man die Marktkapitalisierung des gesamten Unternehmens durch die Anzahl der Aktien teilt.
Eine Aktie, die 1.000€ kostet kann nach gängigen Bewertungskennzahlen wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis oder dem Enterprise-Value-Sales-Verhältnis „billiger“ sein als eine andere Aktie, die nur 10€ kostet.
Mein Rat: Bitte verinnerliche, dass ein optisch niedriger Aktienkurs nichts aber auch gar nichts darüber aussagt, ob eine Aktie gerade "billig" ist oder nicht.
Dummheit Nr. 7: Eine Aktie verkaufen, weil ihr Kurs gefallen ist
Natürlich ist es beim Blick auf das eigene Depot wünschenswert, wenn einem dort positive Performance-Zahlen begegnen. Aber Buchverluste gehören dazu, nicht immer entwickelt sich eine Aktie direkt nach dem Kauf in die gewünschte Richtung.
Das ist nicht besorgniserregend und schon gar kein Grund zum Verkauf der Aktie. Wenn der Kurs einer Aktie fällt, dann bedeutet das ja zunächst erst mal, dass der Preis für einen Unternehmensanteil geringer geworden ist.
Wenn sich am echten Wert des Unternehmens nichts geändert hat, dann kannst Du darüber nachdenken, Deinen Anteil zu vergrößern, indem Du zu geringeren Preisen nachkaufst. Dabei hilft, wenn Du beim Einstieg zunächst eine kleinere Position gekauft hast als Du eigentlich besitzen willst.
Der richtige Umgang mit Buchverlusten ist wohl eine der schwierigsten Übungen auf dem Weg zu einem überdurchschnittlich erfolgreichen Investor. Viele Experten und Börsenmagazine empfehlen zur Verlustbegrenzung sogenannte Stopkurse, bei denen man automatisch verkauft und damit Verluste begrenzt.
Ich behaupte, dass für mittel- bis langfristige agierende Investoren die strikte Beachtung von Stopkursen dazu führt, dass viel Potential für Outperformance verloren geht. Stattdessen habe ich eine andere Regel zum Umgang mit Buchverlusten in meiner Strategie etabliert, die ich “Rule of 30” getauft und hier beschrieben habe.
Mein Rat: Mach Dir Gedanken, wie Du mit dem Thema Buchverluste umgehen willst und finde eine Strategie, mit der Du Dich wohl fühlst.
Wenn Du diesen etwas länglichen Beitrag bis hierher gelesen hast und noch Fragen offen geblieben sind, dann kannst Du mir die gerne via Twitter (@stwboerse) oder Instagram (@hightechinvesting) stellen. Es gibt auch rund um die Börse keine dummen Fragen und jeder von uns hat mal angefangen, seine Fehler gemacht und Lehrgeld bezahlt.
Hier kannst Du jetzt meinen kostenlosen High-Growth-Investing-Newsletter abonnieren. Ich werde mich bemühen, zukünftig noch mehr Inhalte zu bringen, von denen auch die eher Unerfahrenen unter Euch profitieren können.