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Aktive oder Passive Anlagestrategien - Bin ich ein Dino oder was?

Stefan Waldhauser

Ursprünglich hatte ich geplant, ab heute hier in einer Artikelserie meine Aktien-Anlagestrategie möglichst einfach und nachvollziehbar zu beschreiben. Denn ich bin davon ausgegangen, dass Ihr hier im Blog vor allem mehr darüber lesen und lernen wollt, wie man erfolgreich in High-Tech-Aktien investiert. Zu diesem Thema findet man zumindest im deutschsprachigen Bereich nur wenige seriöse Informationen für Privatanleger und vor wenigen Monaten war dies ein Hauptgrund für den Start dieses Blogs. Lies dazu bitte auch meinen allerersten Blog-Artikel über die 5 Gründe zum Start dieses High-Tech-Investing Blogs.

Die Grundsatzdiskussion

Allerdings habe ich in den vergangenen Wochen festgestellt, dass ich mich offenbar zunächst mal an der Grundsatzdiskussion "Aktives oder Passives Investieren“ beteiligen sollte. Bei passiven Indexfonds oder börsennotierten ETFs (Exchange Traded Funds) werden die Gelder einfach eins zu eins entlang ausgewählter Börsenindizes investiert. D.h. es wird erst gar nicht versucht, zwischen den guten und schlechten Unternehmen in einem Index zu unterscheiden, um dann in die besten Unternehmen zu investieren wie das ein aktiver Investor tut. Offenbar herrscht im Netz und bei einem Großteil der Medien immer mehr die Meinung vor, dass das aktive Stock-Picking so wie z.B. ich es betreibe diesen passiven indexbasierten Anlagestrategien grundsätzlich unterlegen sei. Sollte dies der Fall sein, dann hätte dieser Blog natürlich gar keine Daseinsberechtigung und ich als aktiver Stock-Picker würde hier nur meine (und Eure) Zeit verschwenden.

Bin ich ein Dinosaurier?

Und tatsächlich: schaut man sich die Entwicklung rund um passive Investments mit Indexzertifikaten oder ETFs an, so könnte man glauben, aktive Investoren wie ich gehörten zu einer aussterbenden Rasse. Gemäß Stefan Bielmeier von der DZ Bank ist „in Europa der Anteil dieser passiven Investmentform von rund 10 Prozent im Jahr 2007 auf über 25 Prozent im Jahr 2016 angestiegen. In den USA und Asien liegen die Marktanteile inzwischen sogar bei über 40 Prozent.“ Im gleichen Artikel beschreibt der Autor übrigens recht anschaulich warum dieser Trend neue Risiken für das Finanzsystem mit sich bringt - aber das ist ein anderes Thema.

Robo-Advisor sind im Trend

Indexfonds und ETFs schwimmen also seit Jahren auf einer weltweiten Erfolgswelle. Mit dieser Entwicklung im Rücken schiessen Vermögensverwaltungen für passive Geldanlagen (das sind vor allem die vieldiskutierten Robo-Advisor) inzwischen auch im deutschsprachigen Raum wie Pilze aus dem Boden. Sowohl zahlreiche Startups aus der FinTech-Szene als auch etablierte Banken wollen in diesem schnell wachsenden Markt mitverdienen. Wer sich für die Ergebnisse interessiert, welche sich mit diesen Robo-Advisorn mit passiven Investments in der Praxis erzielen lassen, der findet hier einen ganz spannenden Praxisvergleich der Robo-Advisor mit Daten die teilweise bis 2015 zurückreichen. Noch interessanter wird dieser Vergleich aber natürlich erst im Laufe der nächsten Jahre, denn der Betrachtungszeitraum ist noch viel zu kurz, um eine echte Aussagekraft zu haben.

Gerd Kommer - der ETF-Papst

Einen erheblichen Anteil an der allgemeinen Meinungsbildung zugunsten des Passiven Investierens hat der Autor Gerd Kommer, der „das" Standardwerk schlechthin zum Thema "Souverän Investieren mit Indexfonds + ETFs" geschrieben hat. Sein Buch ist Nr.1 Bestseller unter den Ratgebern bei Amazon, er wird auf zahllosen Finanzblogs zitiert. Herr Kommer beschreibt sehr detailliert wie man mit ETFs recht einfach von der Gesamtentwicklung der weltweiten Aktienmärkte partizipieren kann und er vertritt vehement die Meinung, dass man als Privatanleger gar nicht erst den Anspruch haben sollte, besser abzuschneiden als der Gesamtmarkt.

Ich stimme Herrn Kommer zu, dass solch passives Investieren mit ETFs eine komfortable Möglichkeit sein kann, sein Geld mit vernünftigem Risiko anzulegen, wenn man möglichst wenig mit dem Thema Geldanlage zu tun haben möchte, sein Geld auch keinem Dritten anvertrauen möchte und damit zufrieden ist, eine durchschnittliche Rendite zu erzielen. Was mir aber überhaupt nicht gefällt ist, dass der Autor sehr einseitig argumentiert. So sei es für Privatanleger generell nicht möglich sei, langfristig besser als der Markt abzuschneiden. Er führt die Ausnahmen von dieser Regel denn auch generell auf Glück oder Insider-Informationen zurück. Spätestens hier scheiden sich die Geister und ich muss meinen Senf dazugeben bevor ich platze:

Meine Hypothese

Es gibt auch in Deutschland etliche Privatanleger (allerdings sind das aufgrund unserer miserablen Aktienkultur wohl deutlich weniger als z.B. in USA) , die langfristig über Jahrzehnte hinweg mit Ihren Aktieninvestments deutlich besser abgeschnitten haben als der Gesamtmarkt. Dabei führen verschiedene Strategien zum Erfolg: Ich als überzeugter Anhänger der Fundamental-Analyse habe im Laufe der letzten 15 Jahre lernen dürfen, dass sogar die auch von mir früher belächelte Chartanalyse ihre Daseinsberechtigung hat.

Wir sollten versuchen dieses Wissen über den Aktienmarkt systematisch weiterzugeben an die nächste Generation anstatt den Irrglauben zu verbreiten, dass es so etwas wie die überlegene aktive Aktien-Strategie nicht geben kann. Natürlich gebe ich Herrn Kommer Recht, dass die überwiegende Mehrzahl der Publikumsfonds es nicht schafft, die Entwicklung ihrer Benchmark zu übertreffen. Aber das hat ganz andere Gründe, die mehr im System der weltweiten Finanzwirtschaft zu suchen sind. Privatanleger haben es m.E. viel leichter als professionelle Fondsmanager, den Gesamtmarkt zu übertreffen.

Das Langzeitexperiment

Warum bin ich mir so sicher, dass jeder Privatanleger mit einer vernünftigen Strategie weit besser als der Gesamtmarkt abschneiden kann?

Weil ich es selbst herausgefunden habe mit einem Langzeitexperiment, das ich seit mehr als 15 Jahren gemeinsam mit anderen Privatanlegern durchführe und auf der jedermann zugänglichen Website www.stw-boerse.de dokumentiere. Seit 2002 führe ich dort ein öffentliches Aktien-Musterdepot, das in seiner Zusammensetzung zu nahezu 100% meinem realen Portfolio entspricht. Viele Jahre lang habe ich mit dem Schwerpunkt auf deutsche Aktien investiert. In den vergangenen Jahren habe ich immer mehr international diversifiziert und aufgrund meines Branchenwissens auch teilweise in Technologie-Aktien investiert. Meine Strategie ist rein fundamental ausgerichtet, ich bin immer in Unternehmen investiert, die ich recht gut verstehe. Mein Anlagehorizont beträgt i.d.R. 2-5 Jahre.

In der Zeit vom 1.1.2002 bis 30.06.2017 hat sich der Wert dieses stw-Musterdepots - natürlich ohne die Zuführung zusätzlicher Gelder - um 463,7% gesteigert von 35.768€ auf 201.635€. Das entspricht einer Rendite von 11,80% p.a. - zum Vergleich: der DAX ist in diesem Zeitraum von 5.160 Punkten um 138,9% auf 12.325 Punkte gestiegen, das entspricht einer Rendite von 5,78%. Der MSCI World Index ist im gleichen Zeitraum von 972 Punkten um 97,1% auf 1.916 Punkte gestiegen, das entspricht einer Rendite von 4,48%. Der NASDAQ Composite Index ist in der gleichen Zeit von 1.934 Punkten um 217,5% auf 6.140 Punkte gestiegen mit einer Rendite von 7,74%.

Wertentwicklung 2002-2017

Nicht berücksichtigt wurden in meinem Musterdepot die Bankgebühren. Da ich in der Realität mein Depot bei einem günstigen Onlinebroker führe und aufgrund des langen Anlagehorizontes nur sehr selten umschichte, sind diese ähnlich hoch wie bei einer passiven Strategie (ich schätze 0,2-0,3% p.a.). Ebenfalls nicht berücksichtigt wurde die Kapitalertragssteuer, aber ich denke das ist in Ordnung im Vergleich mit einem ETF-Investment, da es heute genügend Konstrukte (z.B Wikifolio) gibt, mit denen man die Steuer in die Zukunft verlagern kann ähnlich wie bei einem langfristigen Investment in einen ETF.

Ist das glaubwürdig?

Mir ist klar, dass die Glaubwürdigkeit eines solchen Musterdepots auf meiner eigenen Website beschränkt ist und es unter Euch einige Leser geben wird, die so stark an die unbedingte Überlegenheit des passiven Investierens glauben, dass sie unsere Ergebnisse anzweifeln. Diesen Zweifeln möchte ich begegnen, indem ich seit 2016 nun auch auf der unabhängigen Plattform wikifolio das High-Tech Stock Picking Musterdepot als Real-Money wikifolios führe. Ich freue mich darauf, dort im Laufe der nächsten 10 oder 20 Jahre auch auf einer unabhängigen Plattform nachzuweisen, dass Privatanleger sehr wohl langfristig wesentlich besser abschneiden können als der Markt.

Übrigens: Ich habe keinerlei besonderen Fähigkeiten oder Informationen. Aber ich fühle mich als Aktionär immer auch als Mitunternehmer und interessiere mich für die Unternehmen in die ich investiere. Ich habe einiges an Erfahrung gesammelt (siehe hier für mehr Infos zu meiner Person) und im Laufe der Jahre eine recht einfache Strategie entwickelt mit einigen Regeln, die ich konsequent anwende, um bessere Entscheidungen zu treffen. Daran ist nichts Geheimnisvolles, das könnt Ihr auch. Ich verspreche Euch, dass ich all dieses Wissen gerne weitergebe hier in diesem Blog sobald diese Grundsatzdiskussion geführt ist… ;-)

Im Laufe der Jahre habe ich viele andere engagierte Privatinvestoren kennengelernt, die über Jahrzehnte hinweg ähnliche oder sogar bessere Ergebnisse am Aktienmarkt erzielt haben als ich. Ich würde mich freuen, wenn der ein oder andere von Euch zu diesem Artikel einen Kommentar abgeben und über seine eigenen langfristigen Erfolge berichten würde. In der kleinen aber feinen Forum-Community meiner uralten Website www.stw-boerse.de tummeln sich übrigens einige von diesen Outperformern.

Bleibt die spannende Frage warum tatsächlich wissenschaftliche Studien unbestreitbar nachgewiesen haben, dass aktiv gemanagte Fonds es i.d.R. nicht schaffen, ihre Benchmark zu schlagen. Dieses Phänomen ist das Thema für den zweiten Teil meiner kleinen Serie zum Thema Aktives oder Passives Investieren. Hier findet Ihr meine 7 Gründe warum Privatanleger erfolgreicher investieren als Fondsmanager.

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